Was ist Glück? Wie werde ich glücklich?

Ist Sinn wichtiger als Glück?

„Der eigentliche Sinn des Lebens ist nicht, glücklich zu sein. Er ist, nützlich zu sein, ehrenhaft zu sein, mitfühlend zu sein, und es soll einen Unterschied machen, dass man gut gelebt hat.“ ~ Ralph Waldo Emerson ~

„Sinn toppt Glück“, sagt auch der Lebenskunstphilosoph Wilhelm Schmid:
„Sinn ist wichtiger als Glück – und er ist auch da, wenn wir unglücklich sind.“
Sind Sie 365 Tage glücklich über Ihre Kinder? Nein, sagen Sie, die nerven auch.
Warum werfen Sie die dann nicht raus? Ich kann Ihnen sagen, warum Sie das nicht tun: Weil Sie Sinn in diesen Kindern sehen. Sinn ist wichtiger als Glück und er ist auch da, wenn Sie unglücklich sind. Das ist ein Gedankengang, der Menschen regelmässig überzeugt. Sie entdecken ihn auch, wenn Sie über Beziehungen nachdenken. Sind Sie in Ihrer Beziehung permanent glücklich? Nein, denn es kommt Ärger vor. Was liegt also näher als zu sagen: Zu einer Beziehung kann Ärger und Glück gehören. Und warum gehe ich nicht, wenn mich der andere nervt? Weil ich Sinn darin sehe, mit ihm zusammen zu sein. Das ist ein weiterer Hinweis dazu, dass Sinn wichtiger als Glück ist.
(Weiterlesen: www.meisterstunde.de/sinn-ist-wichtiger-als-glueck-und-er-ist-auch-da-wenn-sie-ungluecklich-sind/)

Ist Glück eine Entscheidung?

Ist es nicht wunderbar, dass es immer andere Möglichkeiten gibt, etwas zu sehen? Die Art und Weise, wie ich das sehe, ist genau umgekehrt: Der Sinn des Lebens IST es, glücklich zu sein, und aus diesem Glück fliesst ein Leben des Nützlich-Seins, des ehrenhaften, mitfühlenden Lebens. Wenn ich nicht glücklich bin, was würden all diese lobenswerten Verhaltensweisen wirklich Gutes bewirken? Wenn ich mich weigere, Liebe zu empfangen, wie kann ich dann einen anderen wirklich lieben? Wenn ich das Selbst nicht liebe, stellt ein solches Verhalten kaum mehr als eine Investition dar, und das Ego wartet auf die Rückzahlung und zählt mit.
Sie können sicher sein, dass ich aus einem chronischen Defizitzustand heraus operiere. Ich bin nicht „glücklich“, weil ich in einem grossartigen Beruf meine „Arbeit“ verrichten konnte und auch in meinem Alter gesund bin. Nein, ich befinde mich hier und konnte dies leben, weil ich glücklich bin. Ich bin nicht glücklich, weil ich eine wunderbare Liebste habe. Nein, ich bin glücklich, weil ich glücklich bin, dass sie in meinem Leben ist.
Haben Sie keine Angst, das Glücklichsein zum einzigen Zweck Ihres Lebens zu machen, wir alle werden von dieser Entscheidung profitieren.

Handeln als Heilmittel?

Sich für das Glücklichsein zu entscheiden, ist also möglich, nämlich dann, wenn wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und unsere Sicht auf diejenigen Bereiche unseres Lebens ändern, die wir kontrollieren können. Das zumindest meint der Philosoph Émile Chartier, besser bekannt unter seinem Pseudonym Alain. In seinem Buch Propos sur le bonheur (dt. etwa: Ein paar Worte über das Glück) aus dem Jahr 1925 vertritt er die These, dass im Glück wesentlich mehr Wille steckt als wir denken und der Weg zu wahrem Glück nicht über die Gedanken führt, sondern nur durch Handlungen zu erreichen ist. Seine Argumentation ähnelt dabei der einer selbsterfüllenden Prophezeiung: Wer sich der Möglichkeit des Glücks offen hingibt, findet durch, nun ja, glückliche Zufälle eher wieder Freude am Leben als jemand, der die Dinge zu sehr zerdenkt. In lakonischer Manier hält er entsprechend fest: „Das erste Mittel gegen die Übel des Denkens ist, Holz zu hacken“.

Doch können uns nicht auch physische Tätigkeiten entfremden und unglücklich machen? Auf der einen Seite wäre da doch die Büroarbeit, die für viele Menschen alles andere als Erfüllung verspricht. Auf der anderen kann sich auch das beschriebene Zerkleinern von Brennholz als Problem herausstellen, wenn man doch eigentlich etwas anderes tun müsste, weil die Deadlines immer näher rücken.

Gegenüber solchen Bedenken wendet Alain ein, dass uns das Handeln nur dann wieder zurück in die richtige Spur bringen kann, wenn die Probleme nicht existenziell erdrückend sind. Ereilt einen allerdings eine veritable Katastrophe, so würde kein Tipp zum Glücklichsein mehr helfen. Die Kunst des Glücklichseins kann zwar gelehrt werden, aber eben nur, wenn „die Bitterkeit des Lebens auf kleine Ärgernisse und Unannehmlichkeiten reduziert“ ist. Glück als Entscheidung zu begreifen, ist also überaus zweischneidig. Denn auf der einen Seite wirkt man vermutlich erfolgreich auf andere, wenn man ihnen stets optimistisch begegnet und das Glück auf seiner Seite wähnt. Auf der anderen Seite könnte man durch seine Entscheidung, vom Glück beschenkt zu sein, auch schnell arrogant wirken. Selbst wenn eine Entscheidung zum Glücklichsein also möglich wäre, bleibt die Frage, wie sich dieser schwierige Spagat bewerkstelligen liesse. Und wäre das nicht vor allem schon wieder ziemlich stressig?

„Okay“ wird das neue „perfekt“!

Oft, so scheint uns, verknüpfen wir Glücksgefühle entweder mit totaler Ausgelassenheit und grosser Erregung oder aber mit totaler Entspannung. Wenn wir von Momenten des Glücks erzählen, beschreiben wir in der Regel extreme, aufregende, perfekte Situationen. Situationen, in denen wir «atemlos» waren oder «tiefenentspannt». Das Narrativ unserer Zeit ist das Überhöhte.
Aber was, wenn es im Leben gar nicht um das Besondere geht, sondern um das Durchschnittliche? Wenn nicht Aufregung, sondern Stabilität uns gut tut? Wenn «okay» das neue «perfekt» wäre?

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Was macht ein Menschenleben zu einem erfüllten Leben?

Friedemann Schulz von Thun hat ein neues Denkmodell ersonnen, das den Lebenssinn erforscht. Er nennt es das „5-Felder-Modell“, das der Frage nachgeht: Was macht ein Menschenleben zu einem erfüllten Leben? Er rückt also ab von seinem bisherigen Lieblingsthema „Zwischenmenschliche Kommunikation“ und richtet den Blick nach innen. Je mehr die Tiefendimension jedes Feldes von uns erschlossen wird, desto erfüllter ist unser Leben. 

Er nennt die Felder:

  • Wunscherfüllung, 
  • Sinnerfüllung, 
  • biografische Erfüllung, 
  • Daseinserfüllung und 
  • Selbsterfüllung. 

Ihnen liegen die folgenden Fragen zugrunde: 

  • Welche Träume konnte ich leben? 
  • Was hat mein Umfeld mir zu verdanken? 
  • Wie ist mein Leben verlaufen? 
  • Was bedeutet es für mich, geboren zu sein und zu sterben? 
  • Wie wird man mich in Erinnerung behalten?

    Weiterlesen: Friedemann Schulz von Thun: Erfülltes Leben. Ein kleines Modell für eine große Idee; Hanser, München 2021

Gute Beziehungen machen glücklicher, gesünder und lassen uns länger leben

Die Harvard Study of Adult Development (HSAD) begann bereits 1938 und darin werden Menschen und ihre Familien über bisher 3 Generationen weg auf ihr Glücksbefinden beobachtet und befragt. Das eindeutige Resultat: Die Beziehungen verbessern in erster Linie unser Wohlbefinden! Ein Leiter dieser Studie Bob Waldinger, Psychiatrieprofessor an der Eliteuniversität Harvard hat nun mit seinem Berufskollegen Marc Schulz ein Buch darüber verfasst: „The Good Life“. Es bietet auch praktische Ratschläge, wie brachliegende Beziehungen aktiviert werden können und so zu mehr Glück führen. Fünf davon sind hier aufgeführt:

  1. Eine fremde Person ansprechen: Ein kurzes Gespräch („Small Talk“) mit dem Postboten, der Kassiererin oder der Barista, führt immer zu mehr Wohlbefinden.
  2. Der Acht-Minuten-Anruf: Denken Sie an jemanden, den Sie vermissen und greifen Sie gleich zum Telefon und machen Sie Nägel mit Köpfen. Wieso 8 Minuten? Weil in dieser Zeitspanne so viel gesagt werden kann, dass das Bindungs- und Glückshormon Oxytocin ausgeschüttet wird.
  3. Sie und die sozialen Medien: Vergleiche sind dort am stärksten… und machen weniger glücklich! Schluss: Nicht passiv konsumieren, sondern in Kontakt treten und Beiträge kommentieren. Machen Sie auch Ferien vom Internet. Eine Stunde, ein Tag, ein Wochenende.
  4. Die Menschen von der Arbeit: Mit unseren Arbeitskollegen verbringen wir meist die grösste Zeit unseres Lebens – mehr als mit Familie und Freunden. Versuchen Sie diese Zeit zwischenmenschlich zu nutzen. Fragen Sie aufmerksam nach. Fragen Sie über die private Welt nach: Kinder, Freizeit, Partnerin… Machen Sie einen kurzen Spaziergang zusammen…
  5. Verschriftlichen Sie Ihre Dankbarkeit: Denken Sie an Menschen, die Sie mögen. Wofür würden Sie ihnen danken? Schreiben Sie es auf und senden Sie es ab – oder sagen Sie es denen. Die glücklichsten Menschen, das zeigt die Harvard-Studie, nehmen sich Zeit, die Menschen, die sie mögen, ausdrücklich zu würdigen.

Bedürfnishierarchie und Perspektivenwechsel

Um es klarzustellen: Wir bewegen uns hier an der Spitze der Maslowschen Bedürfnispyramide, da in unserer Ersten Welt die Basisstufen satt befriedigt sind. Wir können uns also (elitär?) mit Werten wie „Selbstoptimierung“ oder Selbstverwirklichung“ befassen…

Dynamische Darstellung der Bedürfnishierarchie – Überlappungen sind dabei möglich und zu einem Zeitpunkt oft mehrere Bedürfnisse (aus verschiedenen Kategorien) aktiv.
(aus Wikipedia).

Weiterlesen:

Quellen:
Der Gipfel des Glücks ist dies: das sein zu wollen, was man ist!
Kindness: Geben ist seliger den Nehmen!
– Ist Glück eine Entscheidung?, Nicolas Tenaillon im Philosophie-Magazin, Nov. 21
Sinn ist wichtiger als Glück und er ist auch da, wenn wir unglücklich sind, Wilhelm Schmid

Letzte Aktualisierung:
10. Juli 2023