Gewissenhaft macht gesund

Die fünf grossen Grundzüge oder Dimensionen der Persönlichkeit (die sogenannten „BIG FIVE“) in der Psychologie sind

  • Offenheit für Neues/Erfahrungen (erfinderisch, neugierig)
  • Gewissenhaftigkeit (effektiv, organisiert)
  • Neurotizismus (emotional labil, verletzlich)
  • Verträglichkeit (kooperativ, freundlich, mitfühlend)
  • Extraversion (Fähigkeit zur Freude, gesellig)

Für die Gesundheit besonders abträglich ist hoher Neurotizismus. Menschen mit dieser Eigenschaft sind emotional labil, nervös, ängstlich, grüblerisch und wenig belastbar. Meist tut dieser permanente Alarmismus dem Körper nicht gut: Sie neigen zu weniger Ich-Stärke, Instabilität im Stress, zu Depressionen oder psychosomatischen Störungen.

Doch wenn gleichzeitig die Gewissenhaftigkeit (Selbstkontrolle, Pflichtbewusstsein, Ausdauer, Grenzen…) hoch ist, sind die Menschen sogar besser vor Gesundheitsgefahren geschützt als die Durchschnittsbevölkerung! Sie sind dann zwar besorgt, aber gewissenhafte Menschen rauchen und trinken weniger und essen massvoller. Es gelingt ihnen, sich bessere Lebensbedingungen zu erarbeiten. Wer schon in der Kindheit selbstdiszipliniert zu Werke geht, bekommt eher gute Noten, schafft eher eine anspruchsvolle Ausbildung und wohnt in einer gesünderen Umgebung. Leute mit viel Selbstkontrolle führen im Schnitt bessere und längere Beziehungen als Menschen, die sich weniger im Griff haben. Sie werden mehr gemocht und anerkannt. Sie sind weniger gestresst, fühlen sich weniger schuldig, können sich besser an neue Situationen anpassen und sind weniger beratungsresistent. Sie begehen weniger Verbrechen. Sie überwinden sogar Vorurteile besser. Und, nach all dem nicht überraschend: Sie leben länger.
Alles schön und gut. Aber es gibt auch eine Überdosis Disziplin! Wichtig ist der Wechsel von Spannung und Entspannung, von Kontakt und Rückzug, von Selbstkontrolle und Genuss! Es gibt also auch die Rückseite der Medaille durch „Selbstknechtung“, was in Stress, Depression und Burnout enden kann. Deutungshilfe bietet der kontrovers debattierte deutsche Philosoph Byung-Chul Han. Laut Han hat sich der Westen von einer Kontroll- in eine Leistungsgesellschaft mit sehr hoher Selbstdisziplin umorganisiert.

Für die Chancen einer langdauernden Beziehung sind übrigens vor allem zwei Eigenschaften wichtig: Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Neues! Etwas schwächer dann noch die (soziale) Verträglichkeit (ein netter Mensch…).

Für Erfolg im Beruf ist auch die Gewissenhaftigkeit wichtig, auch wieder Offenheit für Neues, eher Extraversion und auch eine emotionale Stabilität (schwacher Neurotizismus). Was man bei sehr Erfolgreichen aber auch häufig antrifft und was sehr wahrscheinlich auch zum Erfolg beiträgt, ist eine schwache soziale Verträglichkeit (= kompetitiv, misstrauisch). Karrieremenschen müssen also auch ellbögeln müssen! Gute Beispiel dafür sind Marissa Mayer (CEO Google, dann Yahoo: „kalt, unpünktlich und extrem motiviert“) und Steve Jobs.

P.S. Manchmal unterscheidet man auch noch eine sechste Eigenschaft: Ehrlichkeit/Bescheidenheit (bisher bei den Big Five am ehesten unter Verträglichkeit).