Leben ist das langsame Ausatmen der Vergangenheit und das tiefe Einatmen der Gegenwart, um Luft für die Zukunft zu haben.

„Was mich fasziniert am Lachen, sind auch die körperlichen und seelischen Polaritäten zum Weinen. Beobachtet man die Atmung, so geht beim Lachen die Luft stossartig nach aussen, und man atmet danach tief ein. Weine oder schluchze ich, ist es genau umgekehrt: Ich atme lange aus und ruckartig ein. Was sich in diesen beiden Gegenbewegungen offenbart, zeigt sich nachher auch im seelischen Befinden. Nach dem Lachen fühlt man sich gelöst und leicht, nach dem Weinen hingegen aufgehoben und mehr „geerdet“. „(Erkenntnis und anekdotische Anmerkung vom Schweizer Clown Dimitri).

Viele von uns haben diese Erkenntnis von Dimitri vom Lachen und Weinen wohl selber schon bei sich wahrgenommen. Ein klares, bewusstes Atmen hilft uns in verschiedenen Situationen, uns gut wahrzunehmen, bei uns zu bleiben, standhaft zu bleiben und/oder uns ganz auf etwas einzulassen.
Länger auszuatmen oder länger einzuatmen, hat jedoch verschiedene Qualitäten und somit auch unterschiedliche Auswirkungen auf unser Befinden.

Längeres Ausatmen fördert unsere Entspannung

So haben Studien gezeigt, dass der Sympathikus beim Einatmen dominant ist und der Parasympathikus beim Ausatmen. Wird der Parasympathikus stimuliert, gehen beruhigende Signale ans Gehirn. Das Herz schlägt langsamer, Muskeln lockern sich, ein wohliges Gefühl breitet sich aus. Man kann das direkt am Puls messen. Wenn man einatmet, steigt die Herzfrequenz, und wenn man ausatmet, fällt sie.

Die 4-6-10-Methode:
Bei dieser Methode atmet man vier Sekunden lang ein und sechs Sekunden lang aus, und das für zehn Minuten. Es kommt dabei aber nicht auf die Sekunde an, Hauptsache, der Rhythmus stimmt in etwa. Wichtig ist, das Ausatmen nicht krampfhaft, sondern entspannt zu verlängern – auch wenn man dann zunächst vielleicht keine sechs Sekunden schafft.

Es stellt sich bei jedem zweiten Menschen ein nachhaltiger Effekt auf den Körper schon nach drei Minuten solchen Atems ein, jeder fünfte braucht aber mehr als fünf Minuten. Ich empfehle daher, zweimal am Tag zehn Minuten entschleunigt zu atmen.

Ausatmen für mehr Boden

Dinge, die mit viel Ausatmung gemacht werden, helfen also mehr Boden zu erhalten, ist demnach gut für luftige, ätherische Leute. Meditationen mit Betonung der Ausatmung lässt unsere Lebensenergie (Kundalini) nach unten fliessen ( man sollte also eine sogenannte Chakrawelle eher von oben nach unten ausführen).

Einatmen für mehr Leichtigkeit

Methoden, die aber das Einatmen betonen, helfen (zu) erdigen Menschen, die etwas luftiger und freier werden wollen. Meditationen mit Betonung der Einatmung (wie zum Beispiel das Sufiatmen oder die Chakrawelle von unten nach oben) lässt die Energie steigen.


So können wir uns mit unserem Atem eigentlich jederzeit selber etwas regulieren. Wir können uns bei schwierigen Situationen mehr Boden geben, indem wir länger ausatmen und uns selber so wieder stärker ins Gleichgewicht bringen.

Unsere Emotionen und der Atem

Ich möchte nun eine einfache, praktische Methode zeigen, mit deren Hilfe man die Hindernisse der Angst, des Kummers und des Zorns beseitigen und die Verkrampfung lösen kann, die unserem natürlichen Zustand der Gelassenheit und des Glücks im Weg steht. Diese Methode basiert auf der Beobachtung, dass sich in der Atmung unsere emotionale Verfassung widerspiegelt und umgekehrt. Unsere Atemzüge spiegeln unseren Gemütszustand wider und beeinflussen ihn gleichzeitig. Wenn wir ruhig und innerlich offen sind, atmen wir leicht, langsam und gleichmässig. Sind wir dagegen innerlich aufgewühlt, gerät unser Atemrhythmus aus dem Gleichgewicht.

Wenn wir Angst haben, atmen wir unterdrückt oder gar nicht mehr.
Wenn wir traurig sind, atmen wir kräftig ein, aber nur schwach aus, zum Beispiel, wenn wir schluchzen oder nach Luft schnappen. Darin spiegelt sich das Bedürfnis wider, getröstet zu werden, uns von der Energie und Aufmerksamkeit anderer Menschen zu nähren (starkes Einatmen). Wenn der Kummer uns im Griff hat, sind wir wie ein Energievakuum, und es fällt uns schwer, Energie nach aussen abzugeben (schwaches Ausatmen).
Wenn wir zornig sind, passiert das Umgekehrte mit unserem Atem. Wir atmen kräftiger aus, als wir einatmen. Das gibt unsere psychophysische Verfassung exakt wieder. Im Zorn stossen wir etwas von uns fort oder schlagen zu (starkes Ausatmen). Uns geht vorübergehend oder auf Dauer die Fähigkeit verloren, zu empfangen, uns zu öffnen, zu akzeptieren, zugänglich für die Informationen zu sein, die von aussen auf uns einströmen (schwaches Einatmen). Chronischer Zorn kann Asthma verschlimmern.

Wie man wieder ruhig und gelassen wird

Die direkteste Methode, emotionale Hindernisse aus dem Weg zu räumen, besteht darin, unseren Atemrhythmus wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

  1. Wenn du Angst hast, denke einfach daran, zu atmen! Der einzige Unterschied zwischen Angst und freudiger Erregung besteht darin, ob du atmest oder nicht.
  2. Wenn du traurig bist, achte besonders darauf, voll und kräftig auszuatmen, bis dein Atem wieder im Gleichgewicht ist. Gestatte dir, dich stark zu fühlen. Projiziere beim Ausatmen Energie ins Leben hinein.
  3. Wenn du zornig bist, achte besonders darauf, kräftig und tief einzuatmen, bis dein Atem wieder im Gleichgewicht ist. Gestatte dir, dich offen und verletzlich zu fühlen, zu empfangen.

Ist unsere Atmung wieder ausgeglichen, bedeutet das natürlich noch lange nicht, dass die Gedankenformen, die die Erschütterung erzeugt haben, sich in Nichts auflösen. Auch das äussere Problem, das die Gedanken in Gang gesetzt hat, löst sich dadurch keineswegs. Trotzdem ist die Wiederherstellung des Atemgleichgewichts eine wirksame Methode, die emotionale Kontraktion, die Energieblockade, auszuschalten, so dass wir uns wieder öffnen können. Mit anderen Worten: Sie trägt dazu bei, die Lähmung (Angst), Schwäche (Kummer) oder Spannung (Zorn) zu beseitigen, so dass wir uns wirkungsvoller mit dem zugrundeliegenden Problem auseinandersetzen können.
(aus Dan Millman: die goldenen Regeln des friedvollen Kriegers)

Atemübung zur Wertschätzung

Der Dalai Lama schlägt die folgende Praxis vor:

  1. Verbringe 5 Minuten zu Beginn eines jeden Tages damit, Dich daran zu erinnern, dass wir alle die gleichen Dinge wollen (Innerer Frieden, glücklich sein und geliebt werden) und wir alle miteinander verbunden sind.
  2. Verbringe 5 Minuten mit dem Einatmen, dem Schätzen deiner selbst und dem Ausatmen, dem Schätzen anderer. Wenn du an Menschen denkst, die du schwer zu schätzen weisst, dann versuche deine Wertschätzung trotzdem auf sie zu erweitern.

Wichtigste Voraussetzung einer guten Atmung sind freie Nasengänge

Nasenatmung provozieren – Mundatmung verhindern:
vor allem nachts (hilft auch gegen das Schnarchen):
Mund mit kleinem, Briefmarkengrossen Stück chirurgischem Gewebeband, das man vor dem Einschlafen auf die Mitte des Lippenspalts geklebt hat. Man gewöhnt sich nur langsam daran (deshalb in erster Nacht vielleicht nur 30 Minuten, dann 60, usw…).
Tagsüber (vor allem während Sport) ist das Nasenatmen eine Bewusstseinsübung. Vor allem ein Mensch mit chronisch verstopfter Nase sollte erreichen, dass er schlussendlich ausschliesslich mit geschlossenem Mund, nur noch durch die Nase atmen kann!

Weitere Atemübungen findest Du auf meiner Website: www.dr-walser.ch/entspannung/#ausatmen

Veröffentlicht am 21. September2019 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
21. März 2024