Miswanting: Wir irren uns, was und wie sehr uns etwas in der Zukunft glücklich machen wird!
Ein sehr treffender Begriff (aus der Positiven Psychologie) ist „Miswanting„: Ein Fehlwunsch oder Fehlwollen und laut Tim Wilson und Dan Gilbert, die den Begriff geprägt haben, ist Miswanting „der Akt, sich darüber zu irren, was und wie sehr uns etwas in der Zukunft glücklich machen wird“. Unser Hirn gibt uns diese problematische Vorstellung, dass wir bestimmte Dinge möchten, um glücklich zu werden. Damit liegen wir aber meist falsch und werden ständig fehlgeleitet. Diese Dinge unten machen nämlich nach weiteren Studien höchstens mickrige 10% aus, die wir damit unser Wohlbefinden heben können!

Was bestimmt unser Wohlbefinden wirklich?
Laut den Forschungen von u.a. Sonja Lyubomirsky („Glücklich sein, Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben“) ist die prozentuale Aufteilung der Faktoren, die unser Wohlbefinden (Wellbeing) oder Glück bestimmen in etwa:
50 % genetischer und soziokultureller Sollwert (schwer zu verändern),
10 % Lebensumstände (= Miswanting!) und
40 % unsere absichtlichen Handlungen, Wahrnehmungen, Urteile und Gedanken/Gefühle:

Nur diese 40% können wir willentlich verändern. Dort lohnt es sich zu forschen (Psychotherapie). Dazu der Stoiker (und römische Kaiser!) Marc Aurel: „Das Glück Ihres Lebens hängt von der Qualität Ihrer Gedanken ab.«.
Wir aber kleben an diesen verflixten 10% (materiellen) Dingen und setzen unsere ganze Energie und Lebenszeit ein, uns optimal auszubilden, viel und schwer zu arbeiten, Geld zu scheffeln, Luxus zu kaufen, uns selbst zu optimieren (Schönheit, perfekter Body…) und der „wahren“ Liebe nachzurennen. Zudem steigern diese immer grösseren Wünsche unseren Wirtschaftswachstum und verbrauchen immer mehr unsere Ressourcen, was ein Grossteil unserer Klimakrise ausmacht.
Smartphones und die Social Medias portieren diese Miswantings – und sind selbst eines der grössten:
Glücksmehrung durch soziale Medien?
Verpassen wir kurz und bündig etwas zum Lebensglück, wenn wir auf soziale Medien wie Twitter oder Facebook verzichten? Nein – zumindest trifft dies entsprechend einer soziologischen Analyse nicht für Adoleszente zu. Der Gebrauch sozialer Medien (bei mehr als 12 000 zwischen 10–15-jährigen Engländer[inn]en) konnte nicht als relevanter Prognosefaktor für ein glücklicheres Leben identifiziert werden. (PNAS, 2019, doi.org/10.1073/pnas.1902058116)
Anhaftung
Dieser Denk- und Lebensfehler „Miswanting“ ist vergleichbar mit der „Anhaftung“ im Buddhismus, einer Art Mangelvorstellung, dass immer noch etwas fehlt zum „Glücklichwerden„.
„Sie müssen das schmutzige Wasser ausleeren, bevor Sie den Krug mit sauberem füllen.“ (ein Sufi Gedanken).
Geht es nicht genau darum? Bin ich nicht auf diesem Planeten, um lieben zu lernen? „Sauberes Wasser“, ein anderes Wort für Liebe oder Glück, wird „schmutzig“ sein, sobald es sich in meinen Becher ergiesst, der mit Anhaftungen, Ideen und Überzeugungen verstopft ist. Honig mit einem Tropfen Zyanid ist eben kein Honig.
Buddhisten sagen, aller Schmerz kommt von Anhaftung. Alle Anhaftungen aufzugeben, heisst auch, die sorgfältig versteckte Anhaftung an die Idee, „glücklich zu sein“ einzuschliessen. Völlige Nicht-Anhaftung ist eine Voraussetzung für das Lieben – und Lieben ist nur ein anderes Wort für den „Gipfel des Glücks“.
Weiterlesen über unsere hedonische Glückssuche, die ihren unheilvollen Anteil an der Klimakrise hat.
Letzte Aktualisierung durch Dr.med. Thomas Walser:
06. Mai 2023