Fragen, Fragen, Fragen…

In dieser sehr wichtigen Transformationszeit der Pandemie, des Krieges in Europa und der Klimakrise können Fragen eines der wichtigsten Werkzeuge werden, sich selber und auch seinen Lebenspartner besser kennen zu lernen.

Der Innere Ruf

Fragen führen auf den Kardinalsweg zur eigenen Überzeugung, zum „Inneren Ruf“ zum „eigenen Göttlichen“, wie es schon Sokrates nannte. Nach ihm kam wirkliche Einsicht nur von innen. Er glaubte, eine „göttliche Stimme“ in sich zu hören und dass dieses „Gewissen“ ihm sagte, was richtig war. Wer wisse, was gut ist, werde auch das Gute tun. Sokrates hielt es für unmöglich, glücklich zu werden, wenn man gegen seine eigene Überzeugung handelt.

Was brauchst Du jetzt?

So wird die Frage, „Was brauchst du jetzt?!“ zu einer der wichtigsten Zugänge zu sich selbst und  zum anderen in der Beziehung!
„Fragen, Fragen, Fragen!“ wird zum wichtigsten Element für das Verständnis zu sich und des Anderen, zum Finden und Anerkennen der Unterschiede zwischen den zwei Menschen in einer Beziehung… dies heisst nicht Zustimmung (wie viele Männer verkennen), sondern Verständnis – und damit Respekt und Akzeptanz des anderen Weltbilds des Partners.

(aus Züritipp vom 2.4.20)

Auch bei Lehrern kann in Konflikten eine Frage zum Verständnis der Situation führen:
„Was würde Euch jetzt gut tun? Was braucht Ihr jetzt?“

Und auch für den Arzt ist es sehr zentral, immer wieder nachzufragen, was seine Klient*in im Moment benötigt, braucht oder erwartet!
„Was haben Sie für eine Erklärung zu Ihren Symptomen?“ wäre eine Frage, die zu gegenseitigem Verständnis führt!
Weiterlesen über ICE (Ideas, Concerns and Expectations).

Hier einige Fragen als „kleine, bunte Leuchtfeuer auf deine Seelenpfade (Carmen Kindl-Beilfuss aus „Fragen können wie Küsse schmecken“)

  • Welcher Duft gehört zu deiner Kindheit?
  • Welches war ein Ort voller Geborgenheit für dich in deiner Kindheit?
  • Welches war ein Ort voller Geheimnisse damals?
  • Dein erstes Spielzeug?
  • Von wem hast du es bekommen?
  • Wer war dein Lieblingsheld*in deiner Kindheit?
  • Was zog dich an diesem Menschen und seinen Talenten an?
  • …und wie wirkt er ins Erwachsenenleben hinein?
  • Was war dein grösster Kindheitstraum?
  • …und wie wirkt er in dein Erwachsenenleben hinein?
  • Welche Erinnerungsstücke aus deiner Kindheit hast du bis heute aufbewahrt?
  • Was bedeuten sie dir?
  • Was war in deiner Jugend deine Erfolgsstrategie, andere auf dich aufmerksam zu machen?
  • Was hat dich als junger Mensch bereits zu einer Persönlichkeit gemacht?
  • Welche der Werte und Erfahrungen deiner Familie sind dir besonders wertvoll und nützlich im jetzigen Leben?
  • …und an welcher Stelle machst du dein ganz eigenes Ding, und das richtig erfolgreich?
  • In welcher Situation bist du in deinem Leben bisher erfolgreich in Rebellion gegangen?
  • Was würdest du sagen: In welchem Moment bist du erwachsen geworden?
  • Wann bist du mit dir selbst zufrieden?
  • Wenn du auf dein Leben schaust, was erfüllt dich mit Stolz?
  • Wenn du anderen einen wertvollen Ratschlag gibst, der hilft, das Leben besser zu meistern, welchen Rat gibst du?
  • Was ist dein persönliches Rezept, um schwierige Situationen zu meistern?
  • Welcher Film hat dich bisher emotional am stärksten berührt, und wie hat er das geschafft?
  • Wenn du tagträumst, was geniesst du dabei am meisten?
  • Welcher Tagtraum begleitet dich schon am längsten?
  • Welcher deiner Tagträume ist dein liebster?
  • In welchen Situationen erlaubst du dir Tagträume?
  • Wo fühlst du dich zu Hause?
  • Welcher Ort schenkt dir Sicherheit und Geborgenheit?
  • Wenn du Ausflüge machst, was ist dein liebster Ausflugsort?
  • Was sind deine Lieblingsorte, wenn du Natur pur erleben willst?
  • Welchen Fluchtversuch empfiehlst du bei (November-)Blues?
  • Wenn du dich selbst verwöhnst, welche drei Varianten sind dir am liebsten?
  • Welchen kleinen Luxus gönnst du dir immer wieder gern?
  • …und gegen welche „feindliche Attacken“ hast du ihn erfolgreich verteidigt?
  • Was war bisher die grösste Herausforderung, die schwierigste Sache oder die grösste Anstrengung in deinem Leben?
  • Was war das grösste Abenteuer?
  • Was war dein grösstes Risiko, das du eingegangen bist?
  • Wofür hat es sich gelohnt?
  • An welcher Herausforderung bist du so elegant gescheitert, dass andere von Dir sagten: „Das hatte Format!“?
  • Welche Kritik in deinem Leben hat dich wirklich weitergebracht?
  • Was bezeichnest du als den schlimmsten Fehler deines Lebens?
  • …und was hast du daraus gelernt?
  • Welches war bisher das beste Jahr in deinem Leben?
  • Wenn du anderen dein kleines Glück vorstellen möchtest, welches Foto würdest du auswählen?
  • Wenn du einfach mal abschalten willst, was ist deine Lieblingsbeschäftigung?
  • Wenn du dir ein Jahr Auszeit gönntest, welchen Ort würdest du dir aussuchen?
  • Was genau würdest du an diesem Ort geniessen?
  • …und wie möchtest du dort wohnen?
  • Welche Dinge wären unverzichtbar?
  • Was würdest du vorm Abschied auf jeden Fall noch einmal tun?
  • …und was würdest du als wertvolles Ergebnis dieses Fernab-Vom-Alltag-Jahres mitbringen?
  • Mit welchem Geschenk trifft man genau dein Innerstes?
  • …und mit welchem würde man dich beleidigen?
  • Was tust du am liebsten mit deinem Geld?
  • Vor welchen Leistungen deiner Mitmenschen hast du den meisten Respekt?
  • Worin zeigt sich dein guter Geschmack?
  • Kann man guten Geschmack lernen?
  • Welches Buch liest du immer wieder, weil es dir so besonders erscheint?
  • Was hast du immer dabei, wenn du aus dem Haus gehst?
  • Was sind die drei ersten Punkte auf deiner To-Do-Liste (Bucket list) für die nächsten zehn Jahre?
  • Falls eine Fee dir drei Wünsche gewährt, was wünschst du dir für die nächste Zukunft?
  • In welchen Fällen kommst du zu früh?
  • Angenommen, du hättest eine Stunde mehr pro Tag: Würdest du sie am Morgen oder am Abend anhängen?
  • Wofür nimmst du dir zu wenig Zeit? Wofür zu viel?
  • Was machst du in fünf Jahren nicht mehr?
    (Quelle: teilweise aus „Fragen können wie Küsse schmecken“ von Carmen Kindl-Beilfuss)

Verbringe dieses Frühjahr und Sommer immer wieder mal auch Zeit mit solchen Fragen, tauche ein, halte inne, staune, wundere dich über das Schöne im Leben – über dein Lebendigsein!

Paargespräche

Fragen, Fragen, Fragen (und keine ungefragten Ratschläge) gehören zu den sog. „aktive-konstruktiven“ Gesprächsteile. Als Beispiel einer „aktiven und konstruktiven“ Reaktion auf eine Gehaltserhöhung des Partners: »Das ist fantastisch! Ich bin so stolz auf dich. Ich weiss, wie wichtig dir die Beförderung war. Bitte erzähle mir ganz genau, wie das gelaufen ist. Wo warst du, als dein Chef dir das mitgeteilt hat? Was hat er gesagt? Wie hast du reagiert? Wir sollten ausgehen und das feiern.«
Dazu nonverbal: In Augenkontakt bleiben und lächeln,
„Passiv-konstruktiv“ wäre hier: „Das sind gute Nachrichten.“
Die (negative) Reaktion kann bis „passiv-destruktiv“ gehen (man/frau geht gar nicht auf die Stärke des Partners ein, geschweige den, feiert sie).

John Gottman hat eine Statistik erstellt, indem er den Gesprächen von Ehepaaren ein ganzes Wochenende lang zugehört hat. Er unterschied die positiven von negativen Aussagen. Eine Rate von 3:1 bedeutet, dass man auf eine Scheidung zusteuert!
Es bedarf schon einer Rate von 5:1, um eine starke und liebevolle Ehe vorhersagen zu können – fünf positive Aussagen für jede kritische Bemerkung, die man seinem Partner gegenüber macht!
Ein gewohnheitsmässiges Verhältnis von 1:3 bei einem Ehepaar ist dann eine totale Katastrophe…

Was zählt wirklich?

Vor allem in Stresssituationen kann man leicht den Blick für das Wesentliche verlieren. Dann verheddern wir uns in unseren Alltagsroutinen. Wenn wir verunsichert sind, verlieren wir leicht unsere Selbstsicherheit, mit der wir normalerweise das Wesentliche problemlos vom Unwesentlichen unterscheiden können. Gerade in solchen Ausnahmesituationen ist es wichtig, sich sofort zu fragen, was wirklich zählt. So gewinnst Du die nötige innere Ruhe, um den Überblick zu erhalten und die richtigen Prioritäten zu setzen.

Zirkuläres Fragen

Fragen sind ein gutes Instrument. Bei der Technik des zirkulären Fragens (z.B. in Systemischer Psychotherapie) versucht man, die Menschen einzuladen, auch andere Perspektiven einzunehmen und sich in andere hineinzuversetzen. Statt nur zu fragen: „Was denken und fühlen Sie heute?“, stelle ich Fragen, die die Klientin ermuntern, die Perspektiven der anderen im System einzunehmen. Das könnte zum Beispiel sein: „Was würde mir Ihr Partner sagen, wenn ich ihn frage, wie es Ihnen momentan geht?“ Oder: „Welchen Rat würde Ihre beste Freundin Ihnen jetzt geben?“ Oder auch hypothetisch: „Was wäre zu Hause anders, wenn Sie das Problem nicht mehr hätten?“
Das sind Versuche, durch neue Perspektiven auch neue Möglichkeiten für Veränderungen anzuregen. Diese Fragen bringen nicht nur mir ein vollständigeres Bild, vor allem die Klientin bekommt einen Anstoss, nimmt unerwartete Blickwinkel ein, sieht vielleicht Einflüsse, die ihr vorher gar nicht aufgefallen waren.

Wunderfrage

Copyright: Psychologie heute 05/2022

Wie gesund bin ich?

Noch mehr Fragen über die vielen Facetten der Gesundheit: www.dr-walser.ch/gesund/

Literatur: James E. Ryan, „Wie jetzt?! Und andere entscheidende Fragen des Lebens“

Veröffentlicht am 30. März 2020 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
10. April 2022