Die Plastizität unseres Gehirns.

Seit Jahren ist die Gewissheit gewachsen, dass nicht nur unser Körper eine enorme Selbstheilungs- und Umbaufähigkeit besitzt (eindrückliches Beispiel hier walserblog.ch/2014/05/16/regeneration/), sondern auch unser Nervensystem mit unserem Hirn. Diese Erkenntnis wuchs, als man erlebte wie das Hirn sich auch nach einer grösseren Zerstörung zum Beispiel durch Hirnschlag oder Trauma erstaunlich erholen kann, falls man das Hirn auch sofort und stark fordert und nicht schont. Regeneration, neue Synapsenbildung und Übernahme von gestörten Funktionen durch neues Nervengewebe, respektive durch andere Hirnregionen geschieht durch Anregung und nicht durch Schonung.

Man kann diese Plastizität unseres ganzen Wesens auch beim Altwerden beobachten. Der Feind dieser Plastizität ist die Schonhaltung „Das war‘s!“ – sich selbst als wirklich „alt“ sehen und nichts mehr „Anstrengendes“ und Neues anpacken. Gut wären wenig „Rollatoren“ und Krücken! Jeder „Rollator“ – ausserhalb von schweren Gangstörungen natürlich – lässt unser Hirn verarmen und verhindert Wachstum.
So gesehen, ist bereits eine Gleitsichtbrille ein Rollator für unser Auge und lässt unser Sehnerv und Sehhirn verarmen.
Hingegen kann eine früh eingesetzte Hörhilfe die noch guten Hörzentren stärken und unseren sozialen Radius wieder vergrössern.
Auch Wanderstöcke lassen übrigens unser Gleichgewichtsorgan schwächer werden: walserblog.ch/2016/08/11/wanderstoecke-beim-berggehen/.
Auch eine sogenannte „altersgerechte“ Wohnung ohne Schwellen und ohne (Stolper-)Teppiche wirkt kontraproduktiv. Das Gegenteil davon, also viele Stufen und Hindernisse, dann Ortswechsel, neue Küchenschrankeinteilungen, natürlich auch neue Freundschaften und unbekannte Reiseziele lassen unser Hirn wachsen und lebendig bleiben.

90% aller Blockaden im Alter sind selbstgemachte, angstgesteuerte, unnötige, fürs Hirn lähmende, einschläfernde, …

Man will keine „Fehler“ machen, wird aber im Gegenteil durch Schaden klug. Fehler können gut für unser sehr plastisches und bis ins Alter lernfähige Hirn sein. Bedingung ist allerdings die Bereitschaft, Fehler zuzulassen, sie zu erkennen und aus ihnen zu lernen.

In neurobiologischen Experimenten wurde schon mehrmals gezeigt, dass Leute, die eine hohe Bereitschaft haben, aus Fehlern zu lernen, eine deutlich höhere Aktivität der Synapsen im Hirn gemessen wurde, als bei jenen, die Fehlern verhindern wollten und sich leicht entmutigen lassen. Fehler lassen uns wachsen.

„Fehler helfen uns zu entdecken, wer wir wirklich sind. Fehler lehren uns wertvolle Lektionen für das Leben. Fehler lehren uns zu vergeben. Fehler helfen uns, Angst loszulassen. Fehler lehren uns, ein Leben ohne Reue zu leben. Fehler lehren uns zu wachsen und uns zu entwickeln. Fehler lehren uns, glücklich zu sein.“ (Luminita D. Saviuc, 15 Dinge, die du aufgeben solltest, um glücklich zu sein).So gibt es grosse Erfindungen, die auf Fehlern beruhen: Fleming entdeckte auf Bakterienkulturen, die er nachlässig liegen liess, den Penicillin-Pilz, der zum Antibiotikum führte.
Ein Ingenieur von Canon legte irrtümlicherweise sein Bügeleisen auf einen Kugelschreiber. Aus der Beobachtung der herausspritzenden Tinte entwickelte er den Tintenstrahldrucker.
Percy Spencer erforschte neue Radartechnologien in einer Vakuumröhre und stellte fest, dass ein Schokoriegel in seinem Sakko schmolz. Anstatt sich zu ärgern, erfand er den Mikrowellenofen.

Fehler sind auch Grenzerfahrungen. An der Grenze erst lernen wir Neues und bleiben so lebendig. Gewohnheiten werden dadurch aufgerissen und man steuert damit aus einem durchschnittlichen Lebensmodus raus, der eher einer „Todeserfahrung“ gleicht (walserblog.ch/2017/04/06/grenzerfahrung/).