Sie sind nicht so richtig sicher, wie schlimm genau die Klimakrise eigentlich ist? Was jetzt wirklich helfen würde, um sie abzubremsen und wie schnell wir dazu etwas umgesetzt haben müssen?
Damit sind Sie nicht allein. Und es liegt nicht (nur) daran, dass diese Krise komplex ist, sondern vor allem daran, dass Lobbyist*innen der Fossil-Industrie genau dafür sorgen. Mit sehr viel Geld und Arbeit streuen sie Zweifel und pflanzen Narrative, die bis heute den öffentlichen Diskurs prägen.
Alte Taktiken der Zigaretten-Multis.
Und die Fossil-Industrie ist nicht die einzige, die sich die Taktiken der Zigarettenfirmen abgeschaut hat. Als die Erkenntnisse zu erdrückend wurden, dass Rauchen Krebs erzeugt, konnten die Hersteller:innen es nicht mehr einfach leugnen. Stattdessen begann sie mächtige Kampagnen, um Zweifel an den Ergebnissen der Studien zu streuen. Ihr Kalkül: Wenn die Ursache und Wirkung nicht eindeutig belegt wären, könnten Regierungen auch nicht eingreifen und ihr Geschäftsmodell zerstören.
„Musterbeispiel“ Glyphosat!
Auch die jahrzehntelangen politischen Diskussionen um Glyphosat wären ohne die Verwirrungstaktiken von Lobbyist*innen wohl sehr viel schneller beendet gewesen (u.a. dazu hier eine sehr sehenswerte Arte-Doku zum Thema). Glyphosat habe ich im Zusammenhang mit einer Verarmung unseres Mikrobioms im Darm bereits deutlich erwähnt. Nur kurz eine Zusammenfassung meiner Aussage:
Es ist zu Bedenken, dass heute auch Pflanzen arg mit Herbiziden belastet sind. Im Vordergrund steht hier eben dieses Glyphosat, ein seit Jahrzehnten enorm verbreitetes Mittel zur Unkrautbekämpfung, welches mit unserer Nahrung aufgenommen unsere Darmflora schädigt und verarmen lässt. Biologisch angebautes Gemüse und Früchte werden so betrachtet noch wertvoller!
Haben Sie alles schon gehört? Aber so richtig schlimm ist’s ja nur in den USA, denken Sie? Hier in der Schweiz oder Deutschland würde uns das nicht passieren?
Dann empfehle ich Ihnen das Buch „Die Klimaschmutzlobby“ von den Journalistinnen Annika Joeres und Susanne Götze. Die beiden erklären die Taktiken und Verbindungen noch mal detailliert für unterschiedliche Länder – auch für Deutschland. (Wer nicht lesen mag, kann sich zum Beispiel auch dieses ausführliche Gespräch von Annika Joeres mit Tilo Jung anschauen.)
…und die Zuckerindustrie!
Nur selten schafft es historische Forschung in den heiligen Gral der besten klinisch-medizinischen Zeitschriften. Die Arbeit von Kearns und Kollegen wurde aber sofort aufgenommen und gleich durch ein flankierendes Editorial extra gewürdigt.
Die Arbeit zeigt an historischen Dokumenten aus der University of Illinois und der Harvard School of Public Health, dass die Zuckerindustrie ab 1960 begonnen hat, die Forschung manchmal subtil, manchmal durchaus erkennbar dahingehend zu beeinflussen, dass verstärkt Fett, vor allem gesättigte Fettsäuren, und weniger Zucker als der böse Bube der Ernährungsforschung in den Fokus genommen wurde. Was war geschehen? Anfang der 60er Jahre zeichnete sich ab, dass eine erhöhte Zufuhr von Zucker höchstwahrscheinlich einen wichtigen Anteil an der steigenden Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatte. Der britische Epidemiologe John Yudkin hatte diesen Gedanken verbreitet und die Daten sprachen dafür. Auf der anderen Seite standen Verfechter der Lipidhypothese wie Ancel Keys, die dachten, Fette, vor allem gesättigte Fettsäuren aus tierischen Quellen, wie Butter, Schmalz, Käse, Wurst, Fleisch, Eier, seien der Sündenbock. Wie wir heute wissen setzte sich Ancel Keys durch und schrieb bei allen Ernährungsrichtlinien in den USA fleissig mit, und wie wir auch wissen, waren die Daten, aufgrund derer dies geschah dünner als das erste Eis im Dezember. (Lesen Sie ausführlich darüber im Blog von Prof. Harald Walach!).
Und heute? Dazu die Zuckerrecherche der REPUBLIK, in der die zwei Autorinnen aufzeigen, wie eng die Zuckerindustrie auch in der Schweiz noch immer mit Akteuren aus der Politik verstrickt ist. Und sie erzählen aus dem Drehbuch: dem Drehbuch, in dem steht, wie man das Publikum verwirrt, unterhält oder einlullt – so, dass es ja nicht auf die wissenschaftlichen Resultate über den Zucker schaut. Und so, dass sich die «süsse Macht» möglichst lange halten kann: Die Zuckerfee sät Zweifel.
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Letzte Aktualisierung:
14. Juni 2022