Frage eines meiner Patienten:
Überall wird von der Zecke gewarnt. Ich wage schon gar nicht mehr mit meinen Kindern in den Wald oder auf eine Wiese zu gehen.
Ist die Zecke so gefährlich?! Mir scheint, es hat hier jemand sehr viel Interesse, Panik zu schüren…
Meine Antwort:
Sie haben recht, die Berichterstattung über Zecken hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Es ist von „Blutsaugern“ die Rede, von „Mini-Vampiren“, von „Angriff“ – selbst unsere Armee ist „im Krieg“ gegen unser gefährlichstes wildlebendes Tier. Andere Länder habe Klapperschlangen, weisse Haie oder hungrige Löwen – wir haben den gemeinen Holzbock.
Was in der ganzen Hysterie vergessen geht, ist, dass zeckenbedingte Erkrankungen sehr selten sind und nicht etwa zunehmen. Die gefürchtete Zeckenenzephalitis (FSME-Virus) nimmt nach einem Anstieg im 2005 deutlich ab – im Jahr 2008 waren es noch 123 Fälle, so viel wie vor zehn Jahren auch. Und an der Lyme-Borreliose (Bakterium) erkranken seit Jahren konstant 3000 bis 5000 Menschen in der Schweiz. Sie ist mit Antibiotika gut behandelbar.
Die Angst in der Bevölkerung ist also masslos übertrieben. Schuld sind nicht zuletzt überforderte und unseriöse Ärzte, die mit Abzock-Methoden und sinnlosen Laboruntersuchungen eine Menge Geld verdienen.
Alles, was nicht erklärbar ist, kommt von der Zecke. Menschen brauchen Diagnosen, sie brauchen einen Namen und eine Erklärung für ihre Symptome. So werden auch etliche nicht identifizierbare Erkrankungen und psychische Leiden als Folgen der Zeckenstiche deklariert, obwohl ihr Ursprung ganz woanders liegt. Die Zecke ist der Sündenbock unserer Zeit.